PEETA – Projekt: Rede zur Abschlusskonferenz
Sehr geehrte Damen und Herren,
Mein Name ist Manfred Michalke und ich bin der Direktor des
Wiener Vorstadttheaters – integratives theater österreichs. Als Vertreter Österreichs
und als Partner der PEETA Familie, freue ich mich hier zu sein. Unser Projekt ist Variations of a midsummernightsdream“. Die Grundlage ist Shakespeares Stück.
Das WVT, ein Randgruppentheater wurde von mir gegründet um Menschen wie beispielsweise Behinderten, Asylwerbern, Süchtigen, und Häftlingen, welche vom
professionellen Kulturbetrieb ausgeschlossen sind, die Möglichkeit zu geben, ihre
Probleme durch künstlerische Leistung der Öffentlichkeit mitzuteilen. Dabei ist die
Privatsphäre, die soziale Situation der Menschen und ihre ethnische Herkunft völlig
im Hintergrund, um jeglichen Mitleidseffekt auszuschalten. Denn: „gut gemeint“
sagt schon Karl Kraus, ein bedeutender Schriftsteller und Redakteur unseres Landes, ist das Gegenteil von Kunst !
Die künstlerische Arbeit mit Gefangenen ist für uns eine der wichtigsten Aufgaben. Rehabilitation ist uns ein sehr wichtiges gesellschafts- und kulturpolitisches Anliegen.
Vor dem PEETA-Projekt hat das WVT bereits drei Produktionen mit Häftlingen erarbeitet („Gerettet“ von Edward Bond und „Leonce und Lena“ von Georg Büchner und „Der Klassenfeind“ von Nigel Williams).
Im Rahmen des PEETA-Projektes konnten wir unsere Erfahrungen intensivieren.
Durch die Probenarbeit mit den InsassInnen konnte eine Fortsetzung unserer Arbeit erfolgen. Gefängnisse entmündigen Menschen – wir versuchen
durch unseren Einsatz das Selbstwertgefühl der Gefangenen wieder aufzubauen.
Die Probenarbeit war eine Herausforderung für alle Mitwirkenden. Sie waren sehr motiviert ihre Rollen durch bühnentaugliche Mitteln zu erarbeiten.
Zu ihrer Unterstützung wird professionelles Equipment, Lichtdesign, Kostüme,
Musikeinspielungen und Requisiten für die gesamte Probenzeit bereitgestellt.
Die Konzentrationsfähigkeit jedes einzelnen war wichtig und erforderlich, und förderte
dadurch den Teamgeist.
Die Kommunikationsbereitschaft und –Fähigkeit aller Teilnehmer hat sich positiv verändert.
Soziale Kontakte während der Probenzeit wurden gefördert und trugen
wesentlich zur allgemeinen Leistungsbereitschaft bei.
Die regelmäßige und präzise Theaterarbeit wirkte sich auch auf das Selbstbewusstsein der Akteure aus und steigerte dadurch auch die Freude am kontinuierlichen Arbeiten.
-2-
Alle diese Ziele werden durch die Probenarbeit und der Schaffung von professionellen Arbeitsbedingungen gefördert und
von allen Mitwirkenden erreicht.
Es ist selbstverständlich, dass alle pädagogischen Zielsetzungen automatisch im Erarbeitungsprozess einer Theaterproduktion inkludiert sind.
Diese Theaterarbeit wurde vom Bundesministerium für Justiz, welches das Projekt verhindern wollte, jedoch als Arbeit der Mitwirkenden anerkannt.
Alle InsassInnen wurden für die Probenarbeit daher von der Gefängnisverwaltung genauso bezahlt, wie z.B. die Arbeit in der Tischlerei, Mechanikerwerkstatt
Wäscherei, Küche u.s.w. Das verdiente Geld kommt auf ihre Konten und dient als Starthilfe nach der Haftentlassung.
Ein weiterer, wichtiger Aspekt bei der Probenarbeit ist die Zusammenführung von
Frauen und Männern. Dies bedeutet für die Gefängnisse (Gerasdorf und Schwarzau,
beide in NÖ) eine enorme logistische Herausforderung wie z.B. Transport, Bewachung.
Diese Arbeitsgrundlage war auch bei allen unseren bisherigen Projekten
gegeben.
Alle diese Bemühungen sind notwendig um den Mitwirkenden ein geeignetes Arbeitsumfeld zu bieten.
Diese Maßnahmen wirken sich natürlich in der Praxis bei Bewerbungsgesprächen und bei Kontakten mit Behörden positiv aus. Ihre Ausdrucksweise und ihr Auftreten gegenüber fremden Personen wurden im Zuge der Rollenarbeit entsprechend geschult.
Unsere Tätigkeiten in diesem Teilbereich der darstellenden Kunst sind bereits auch
wissenschaftlich dokumentiert. Die erste Gefängnistheaterproduktion: „Saved“ by
Edward Bond war Grundlage einer Magisterarbeit von Frau Mag. Christina Glinz,
welche auch im künstlerischen Leitungsteam der Produktion bei allen Proben als
Regie- und Produktionsassistentin mitwirkte. Diese akademische Arbeit liegt an
der Universität Wien auf.
Der Kulturstadtrat von Wien, Herr Dr. Andreas Mailath-Pokorny gründete den
WWTF - Wiener Wissenschafts-,Forschungs- und Technologiefonds –
in dem Kulturarbeit und ihre Auswirkungen von Verhaltens-
forschern und Pädagogen untersucht werden und veröffentlicht werden.
-3-
Unter den zahlreichen Arbeitsvorschlägen ging als Siegerprojekt: „Class Enemy“
von Nigel Williams, einer Produktion des WVT in Zusammenarbeit mit der
Hilfsorganisation für Drogenkranke Jugendliche – Grüner Kreis – hervor, und wurde
während der Probenarbeiten mit den zum Teil verurteilten Jugendlichen, von
Wissenschaftlern beobachtet. Die Ergebnisse werden im Oktober in Wien anlässlich
einer großen Leistungsschau der Presse und der Öffentlichkeit präsentiert.
Frau Amrei Ortner, einer Mitarbeiterin des WVT, schreibt ebenfalls eine
theaterwissenschaftliche Diplomarbeit über diese Produktion. Die enge Zusammen-
arbeit zwischen Wissenschaft - insbesondere der Sozialpädagogik, und der Verhaltensforschung – und professioneller Kulturarbeit muss in der Arbeit mit Gefangenen intensiviert werden und bedarf daher der Unterstützung aller
Verantwortlichen insbesondere der politischen Organisationen.
Über das PEETA-Projekt: „Variations of a Midsummer Night’s Dream“ wurde
im österreichischen Fernsehen ein ausführlicher Bericht ausgestrahlt, wobei
die AnstaltsleiterInnen von Gerasdorf und der Schwarzau und ich interviewt
wurden und zu den Auswirkungen der Gefängnistheaterarbeit Auskunft gaben.
Dies geschah, trotz massiven Widerstandes gegen öffentliche Vorstellungen des Projektes, durch das Bundesministerium für Justiz, und unterstreicht die Wichtigkeit und Qualität unserer Arbeit.
Als Partner der PEETA Familie stellen wir gerne unsere Erfahrungswerte allen
Organisationen zur Verfügung und wünschen uns, dass PEETA weiterarbeitet und
sich von einem Lehr-und Lernprogramm zu einem Lebensprogramm entwickelt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen viel Erfolg
bei der Umsetzung und der Bewältigung aller Zukunftsprojekte.
Die Probentätigkeit zur Produktion: „Ein Sommernachtstraum“ wurde von der EU-Förderung, Leonardo da Vinci Projekt PEETA - Personal Effectiveness and Employability through the Arts aufgenommen, wobei das Wiener Vorstadttheater für die exemplarische Aufbereitung der Gefangenentheaterarbeit der einzige Vertreter aus Österreich innerhalb dieses Arbeitskreises ist. Diese Theaterarbeit wurde 2012 ebenfalls in Zusammenarbeit mit den Justizanstalten Schwarzau und Gerasdorf produziert. Die öffentliche Präsentation des Workshops fand am 27. April 2012 um 19:00 Uhr im Kultursaal der JA-Gerasdorf statt.